Sammlung aller Schriften von Assassin's Creed IV Black Flag
Kapitel Drei... in dem ich meine zukünftige Frau Miss Caroline Scott kennen lernte
Ich traf sie im "Auld Shillelagh", einem Gasthaus auf halbem Weg zwischen Hatherton und Bristol, das ich regelmäßig aufsuchte, wenn Mutter und Vater im Sommer schwer mit der Schafschur beschäftigt waren und ich noch öfter in die Stadt musste, sogar mehrmals am Tag.
Ich gebe zu, dass ich sie zunächst kaum bemerkt hatte, was recht ungewöhnlich für mich ist, denn ich brüste mich gern damit, den exakten Aufenthaltsort jedes einzelnen schönen Weibsbildes in der näheren Umgebung zu kennen. Abgesehen davon war der Shillelagh nicht unbedingt der Ort, an dem man schöne Frauen erwartet. Frauen, ja. Eine bestimmte Art Frau. Aber dieses Mädchen war nicht so, das konnte ich sehen. Sie war jung, etwa mein Alter, und sie trug eine weiße Haube und Schürze aus Leinen, sodass ich sie für eine Dienstmagd hielt.
Doch was mich auf sie aufmerksam werden ließ, war nicht ihre Kleidung, sondern vielmehr die Lautstärke ihrer Stimme, die in wildem Gegensatz zu ihrer sonstigen Erscheinung stand. Sie saß dort mit drei Männern, allesamt älter als sie, die ich sofort erkannte: Tom Cobleigh, sein Bruder Seth und ein Julian, dessen Familienname mir entfallen ist, der aber mit den Brüdern arbeitete. Ich hatte mich bereits mit den drei Männern gestritten, wenn nicht sogar geschlagen. Sie gehörten zu jener Art, die hochnäsig auf mich herabsieht, weil sie denkt, ich sähe hochnäsig auf sie herab, die mich nicht mehr mochten, als ich sie, und das war nicht viel. Sie saßen auf ihren Stühlen und beobachteten das junge Mädchen mit gierigen, wölfischen Augen, die ihre wahren Absichten verrieten, auch wenn sie lächelten, auf den Tisch klopften und sie ermutigten, als sie eine Flasche Ale leer trank.
Nein, sie sah nicht aus wie eine jener Frauen, die normalerweise in der Taverne verkehrten, aber anscheinend legte sie es darauf an, sich wie eine solche zu benehmen. Die Flasche war beinahe so groß, wie sie selbst, und als sie sich mit dem Handrücken den Mund abwischte und die leere Flasche auf den Tisch knallte, jubelten die Männer, bestellten eine weitere Flasche und waren zweifellos erfreut, sie auf ihrem Stuhl leicht taumeln zu sehen. Wahrscheinlich konnten sie ihr Glück nicht glauben. So ein hübsches Ding.
Ich sah ihnen zu, wie sie das Mädchen noch mehr Ale trinken ließen und jeden Erfolg mit demselben Tumult feierten. Und dann, als sie dasselbe tat wie zuvor und sich mit dem Handrücken den Mund abwischte, nur dieses Mal mit einem noch deutlicheren Taumeln, warfen sie sich einen vielsagenden Blick zu. Ein Blick, der zu verstehen gab, "das Werk ist vollbracht".
Tom und Julian standen auf und begannen, in ihren Worten, sie zur Tür zu "eskortieren", weil "du zu viel getrunken hast, Liebes, also bringen wir dich nach Hause, einverstanden?"
"Ins Bett", feixte Seth und dachte, dass er es nur zu sich selbst gesagt hätte, obwohl die ganze Gaststätte ihn gehört hatte. "Bringen wir dich ins Bett".
Ich sah kurz zum Wirt hinüber, der herabsah und sich die Nase in seine Schürze schnäuzte. Ein Gast weiter unten an der Theke blickte ebenfalls von mir weg, als ich ihn fragend ansah.
Bastarde. Da hätte ich genauso gut die Katze um Hilfe bitten können, dachte ich, knallte meinen Humpen auf den Tisch, stand auf und folgte den Cobleighs auf die Straße.
Ich blinzelte, als ich aus der Dunkelheit der Taverne in das gleißende Sonnenlicht trat. Mein Pferdewagen stand dort und röstete in der Sonne, daneben stand ein weiterer, von dem ich annahm, dass er den Cobleighs gehörte. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein Vorgarten vor einem weit zurückgesetzten Haus, aber keine Spur von einem Farmer. Wir waren allein auf der Landstraße, nur ich, die beiden Cobleighs, Julian und das Mädchen, natürlich.
"Nun, Tom Cobleigh", sagte ich, "was man nicht alles zu sehen bekommt an einem schönen Nachmittag. Dich und deine Kumpane, die sich betrinken und ein armes hilfloses junges Ding noch viel betrunkener machen."
Das Mädchen sank in sich zusammen, als Tom Cobleigh ihren Arm losließ und sich mit erhobenem Finger zu mir drehte.
"Halte dich da raus, Edward Kenway, du Nachwuchs-Tunichtgut. Du bist genauso betrunken wie ich und deine Moral ist auch nicht besser, also muss ich mir von deinesgleichen keine Reden anhören."
Seth und Julian hatten sich ebenfalls umgedreht. Das Mädchen hatte ganz glasige Augen, als hätte ihr Verstand sich schon zur Nacht gebettet, obgleich ihr Körper noch wach war.
"Tja", lächelte ich, "meine Moral mag nicht besser sein als deine, Tom Cobleigh, doch ich muss jungen Mädchen kein Ale in die Kehle schütten, um sie ins Bett zu bekommen, und ganz sicher brauche ich keine zwei Freunde, die mir dabei helfen".
Tom Cobleigh wurde rot. "Was? Du dreckiger kleiner Bastard, du, ich werde sie in meinen Wagen setzen und dann bringe ich sie nach Hause."
"Ich bezweifele nicht, dass du vorhast, sie in den Wagen zu setzen und nach Hause zu bringen. Jedoch was du zwischen dem Einstieg in deinen Wagen und der Ankunft zu Hause planst, das besorgt mich."
"Ach, das besorgt dich also? Du wirst dir bald Sorgen um eine zertrümmerte Nase und ein paar gebrochene Rippen machen müssen, wenn du dich nicht schleunigst um deine eigenen Angelegenheiten kümmerst."
Ich sah die Straße hinab, wo Bäume den ungepflasterten Weg umsäumten und grün und golden in der Sonne leuchteten. In einiger Entfernung erkannte ich eine einsame Gestalt zu Pferde, verschwommen und undeutlich.
Ich trat einen Schritt vor und falls es einen Hauch von Anstand und Wärme in meinem Verhalten gab, hatte es sich nun verflüchtigt, fast von allein. Die folgenden Worte sprach ich mit eiserner Stimme.
"Nun lass dieses Mädchen in Ruhe, Tom Cobleigh, oder ich lehne jede Verantwortung für meine weiteren Taten ab."
Die drei Männer sahen sich an. Gewisserweise taten sie, was ich verlangt hatte, sie ließen das Mädchen los, das sich fast erleichtert in die Hocke sinken ließ, wo sie sich mit einer Hand am Boden abstützte und uns mit verschlafenen Augen ansah. Offensichtlich war sie sich nicht bewusst, worum wir in ihrem Namen stritten.
Inzwischen hatte ich mir die Cobleighs angesehen und meine Chancen abgeschätzt. Hatte ich schon einmal gegen drei Männer gleichzeitig gekämpft? Wohl nicht, denn wenn man sich mit Dreien anlegt, ist es weniger ein Kampf, vielmehr wird man verprügelt, aber komm schon, Edward Kenway, sagte ich mir. Ja, einerseits waren es drei Männer, aber einer von ihnen war Tom Cobleigh, kein Frischling mehr, er war etwa im Alter meines Vaters. Ein anderer war Seth Cobleigh, Tom Cobleighs Sohn. Und wenn man sich vorstellen kann, welche Art Mann mit seinem Vater zusammen ein Mädchen abfüllt, nun, dann kann man sich auch vorstellen, was für eine Art Mann Seth Cobleigh war - und zwar ein linkischer, hinterhältiger Kerl, der eher mit nassen Hosen aus einem Kampf flieht, als sich zu behaupten. Ausserdem waren sie betrunken.
Andererseits war ich jedoch auch betrunken. Und sie hatten Julian, der sich, dem Aussehen nach zu urteilen, durchaus zu verteidigen wusste.
Mir kam eine andere Idee. Dieser einsame Reiter, den ich in einiger Entfernung sehen konnte. Wenn ich die Cobleighs nur so lange hinhalten konnte, bis er eintraf, würden sich die Chancen vermutlich zu meinen Gunsten verschieben. Zumindest wenn er einen guten Charakter besaß, würde der einsame Reiter sicherlich anhalten, um mir zu helfen.
"Nun, Tom Cobleigh", sagte ich, "du bist mir gegenüber im Vorteil, das kann jedermann sehen, doch, weißt du, ich könnte einfach meiner Mutter nicht mehr in die Augen sehen, wenn ich zuließe, dass du und deine Kumpanen dieses hübsche junge Ding missbrauchen."
Ich sah die Straße hinab, wo der einsame Reiter langsam näher kam. Mach schon, dachte ich. Lass mich nicht hängen.
"Also", fuhr ich fort, "selbst wenn ihr mich in einer Blutlache am Straßenrand liegen lasst und die Kleine mitnehmt, muss ich einfach alles in meiner Macht stehende tun, um es euch so schwierig wie möglich zu machen. Und vielleicht dafür zu sorgen, dass ihr mit einem blauen Auge und schmerzenden Murmeln losziehen müsst."
Tom Cobleigh spuckte aus und sah mich mit runzligen, zusammengekniffenen Augen an. "Willst du einfach nur dastehen und den ganzen Tag darüber reden, Edward Kenway, oder wirst du auch zur Tat schreiten? Denn das Rad der Zeit dreht sich... "Er grinste teuflisch und fuhr fort, "Ich hab' noch Leute zu treffen... Dinge zu erledigen."
"Aye, stimmt, und je länger du brauchst, desto größer ist die Chance, dass diese junge Dame wieder nüchtern wird, hm?"
"Ich möchte gar nicht verhehlen, dass mich dieses Gerede langweilt, Kenway". Er wandte sich Julian zu. "Warum erteilen wir diesem kleinen Bastard keine Lektion? Oh, und eines noch, bevor wir anfangen, Master Kenway, du bist es nicht wert, die Schuhe deiner Mutter zu putzen, verstehst du mich?"
Das hatte gesessen, muss ich zugeben. Wenn jemand wie Tom Cobleigh, der die Moral eines räudigen Köters besaß und etwa halb so klug war, so tief in meine Seele greifen und seinen Finger in meine offenen Wunden und Schuldgefühle legen konnte, um mir noch mehr Schmerz zuzufügen, nun... wenigstens stärkte es meine Entschlossenheit, wenn sonst schon nichts.
Julian warf sich in die Brust und kam schnaufend näher. Zwei Schritt von mir entfernt hob er die Fäuste, ließ die rechte Schulter fallen und zog durch. Ich weiß nicht, gegen wen Julian normalerweise vor der Taverne kämpft, aber sicherlich gegen jemanden, der über weniger Erfahrung verfügte als ich, denn ich hatte längst zur Kenntnis genommen, dass er Rechtshänder war. Er hätte mir seine Absichten nicht deutlicher zeigen können, selbst wenn er es versucht hätte.
Meine Füße waren in kleine Staubwolken getaucht, als ich mit Leichtigkeit auswich und meine eigene Rechte in Position brachte. Er schrie vor Schmerzen, als ich ihn unter dem Kinn erwischte. Hätte ich es nur mit ihm zu tun gehabt, wäre die Schlacht schon gewonnen gewesen. Doch Tom Cobleigh war bereits über mit. Ich sah ihn nur aus dem Augenwinkel und es war zu spät, um noch zu reagieren, als er mir seine Faust gegen die Schläfe rammte.
Ich schwankte leicht, als ich mich drehte, um dem Angriff zu begegnen, und meine Fäuste schwangen wilder umher als mir lieb gewesen wäre. Ich hoffte auf einen Glückstreffer, da ich immer noch einen von ihnen niederschlagen musste, um für gleiche Verhältnisse zu sorgen, doch keiner meiner Schläge traf den zurückweichenden Tom Cobleigh und noch dazu hatte sich Julian erschreckend schnell von meinem ersten Treffer erholt und kam wieder auf mich zu.
Ein Schwinger mit seiner Rechten traf mein Kinn und wirbelte mich so herum, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor. Mein Hut fiel zu Boden, die Haare vor meine Augen und ich war leicht verwirrt. Und wer kam im selben Moment, um mir einen Stiefeltritt zu versetzen? Dieser Wurm Seth Cobleigh, der gleichzeitig seinen Vater und Julian anfeuerte. Und der Bastard hatte Glück. Sein Stiefel traf mich in der Magengegend und, da ich bereits aus dem Gleichgewicht war, verlor ich nun vollkommen den Halt und stürzte.
Das Schlimmste, was einem in einem Kampf gegen drei Gegner passieren kann, ist zu stürzen. Sobald man auf dem Boden liegt, ist es vorbei. Durch ihre Beine hindurch sah ich den einsamen Reiter auf der Straße, der nun meine einzige Rettung zu sein schien, vielleicht sogar meine einzige Chance, lebend aus der Sache raus zu kommen. Doch was ich sah, ließ mir das Herz in die Hose rutschen. Es war kein Mann auf einem Pferd, kein Handelsreisender, der absteigen und mir zu Hilfe eilen könnte. Nein, der einsame Reiter war eine Frau. Sie saß im Herrensitz auf dem Pferd, nicht wie eine Dame, aber sie war zweifellos eine Frau. Sie trug eine Haube und ein helles Sommerkleid. Und das Letzte, was mir durch den Kopf schoss, bevor die Stiefel der Cobleighs mir die Sicht versperrten und ihre Tritte auf mich einprasselten, war, dass sie sehr hübsch war.
Aber Schönheit würde mich jetzt nicht retten.
"Hey", hörte ich. "Ihr drei Männer da. Hört sofort auf damit!"
Sie drehten sich um, sahen sie an und zogen ihre Hüte. Sie stellten sich in einer Reihe auf, um ihr die Sicht auf mich zu versperren, der ich röchelnd auf dem Boden lag.
"Was geht hier vor?", wollte sie wissen. Dem Klang ihrer Stimme nach zu urteilen war sie jung und wenn auch nicht von edler Abstammung, so jedoch ganz sicher aus gutem Hause - aus zu gutem Hause vermutlich, um ohne Begleitung auszureiten?
"Wir haben diesem jungen Mann hier nur ein paar Manieren beibringen wollen", keuchte Tom Cobleigh, immer noch außer Atem. Es musste anstrengend sein, mich halb totzutreten.
"Doch dazu bedarf es doch wohl nicht dreier Männer, oder?", erwiderte sie. Nun konnte ich sie sehen, doppelt so schön, als ich zuerst gedacht hatte. Sie blickte die Cobleighs finster an, die inzwischen deutlich besänftigt zu sein schienen.
Sie hakte nach. "Viel interessanter ist, was habt ihr mit dieser jungen Dame hier vor?" Sie zeigte auf das Mädchen, das immer noch benommen und betrunken auf dem Boden saß.
"Oh, Ma'am, das ist eine junge Freundin von uns, die zu viel getrunken hat."
Das Gesicht der Dame verfinsterte sich. "Sie ist ganz sicher nicht eure junge Freundin, sie ist eine Dienstmagd. Und wenn ich sie nicht zurück nach Hause bringe, bevor meine Mutter bemerkt, dass sie ausgebüxt ist, ist sie eine ehemalige Dienstmagd."
Sie sah eindringlich von einem Mann zum nächsten. "Ich kenne euch Männer und ich glaube, ich weiß sehr wohl, was hier vor sich geht. Nun lasst diesen jungen Mann in Ruhe und macht euch auf den Weg, bevor mir noch danach zumute ist, diese Angelegenheit weiter zu verfolgen."
Mit zahlreichen Verbeugungen kletterten die Cobleighs in ihren Wagen und waren bald darauf verschwunden. In der Zwischenzeit war sie vom Pferd gestiegen und kniete sich neben mich, um mit mir zu sprechen. "Mein Name ist Caroline Scott, meine Familie wohnt auf der Hawkins Lane in Bristol, lasst mich Euch mit dorthin nehmen, um Eure Wunden zu behandeln."
"Ich kann nicht, meine Dame", sagte ich. Ich richtete mich auf und versuchte, ein Lächeln hervorzubringen. "Ich muss arbeiten."
Sie stand auf. "Ich verstehe. Habe ich die Situation denn richtig eingeschätzt?"
Ich hob meinen Hut auf und klopfte den Staub ab. Nun war er sogar noch verbeulter als zuvor. "Das habt Ihr, meine Dame."
"Dann bin ich Euch zu Dank verpflichtet, und Rose ebenfalls, sobald sie wieder nüchtern ist. Sie ist ein eigensinniges Mädchen. Sie ist nicht unsere einfachste Bedienstete, nichtsdestotrotz möchte ich nicht mit ansehen, wie sie unter ihrer Impulsivität leidet."
Sie war ein Engel, entschied ich, und als ich ihnen half, wieder aufs Pferd zu steigen, wo Caroline Rose festhielt, die sich benommen an den Hals des Pferdes schmiegte, kam mir plötzlich ein Gedanke.
"Darf ich Euch vielleicht wiedersehen, meine Dame? Um Euch angemessen zu danken, wenn ich wieder etwas repräsentativer aussehe?"
Sie warf mir einen bedauernden Blick zu. "Ich fürchte, mein Vater würde das nicht gutheißen", sagte sie, dann nahm sie die Zügel und ritt davon.
In der folgenden Nacht saß ich neben dem Strohdach unserer Hütte und blickte über die Felder, während die Sonne hinter dem Horizont verschwand. Normalerweise drehten sich meine Gedanken entweder um mein Ringen mit meiner unausweichlichen Zukunft oder darum eine Möglichkeit zu finden, all dem zu entfliehen.
Doch in dieser Nacht dachte ich an Caroline. Caroline Scott aus der Hawkins Lane.
Die in diesem Artikel verwendeten Bilder stammen aus dem Spiel Assassin's Creed IV Black Flag.
Ich traf sie im "Auld Shillelagh", einem Gasthaus auf halbem Weg zwischen Hatherton und Bristol, das ich regelmäßig aufsuchte, wenn Mutter und Vater im Sommer schwer mit der Schafschur beschäftigt waren und ich noch öfter in die Stadt musste, sogar mehrmals am Tag.
Ich gebe zu, dass ich sie zunächst kaum bemerkt hatte, was recht ungewöhnlich für mich ist, denn ich brüste mich gern damit, den exakten Aufenthaltsort jedes einzelnen schönen Weibsbildes in der näheren Umgebung zu kennen. Abgesehen davon war der Shillelagh nicht unbedingt der Ort, an dem man schöne Frauen erwartet. Frauen, ja. Eine bestimmte Art Frau. Aber dieses Mädchen war nicht so, das konnte ich sehen. Sie war jung, etwa mein Alter, und sie trug eine weiße Haube und Schürze aus Leinen, sodass ich sie für eine Dienstmagd hielt.
Doch was mich auf sie aufmerksam werden ließ, war nicht ihre Kleidung, sondern vielmehr die Lautstärke ihrer Stimme, die in wildem Gegensatz zu ihrer sonstigen Erscheinung stand. Sie saß dort mit drei Männern, allesamt älter als sie, die ich sofort erkannte: Tom Cobleigh, sein Bruder Seth und ein Julian, dessen Familienname mir entfallen ist, der aber mit den Brüdern arbeitete. Ich hatte mich bereits mit den drei Männern gestritten, wenn nicht sogar geschlagen. Sie gehörten zu jener Art, die hochnäsig auf mich herabsieht, weil sie denkt, ich sähe hochnäsig auf sie herab, die mich nicht mehr mochten, als ich sie, und das war nicht viel. Sie saßen auf ihren Stühlen und beobachteten das junge Mädchen mit gierigen, wölfischen Augen, die ihre wahren Absichten verrieten, auch wenn sie lächelten, auf den Tisch klopften und sie ermutigten, als sie eine Flasche Ale leer trank.
Nein, sie sah nicht aus wie eine jener Frauen, die normalerweise in der Taverne verkehrten, aber anscheinend legte sie es darauf an, sich wie eine solche zu benehmen. Die Flasche war beinahe so groß, wie sie selbst, und als sie sich mit dem Handrücken den Mund abwischte und die leere Flasche auf den Tisch knallte, jubelten die Männer, bestellten eine weitere Flasche und waren zweifellos erfreut, sie auf ihrem Stuhl leicht taumeln zu sehen. Wahrscheinlich konnten sie ihr Glück nicht glauben. So ein hübsches Ding.
Ich sah ihnen zu, wie sie das Mädchen noch mehr Ale trinken ließen und jeden Erfolg mit demselben Tumult feierten. Und dann, als sie dasselbe tat wie zuvor und sich mit dem Handrücken den Mund abwischte, nur dieses Mal mit einem noch deutlicheren Taumeln, warfen sie sich einen vielsagenden Blick zu. Ein Blick, der zu verstehen gab, "das Werk ist vollbracht".
Tom und Julian standen auf und begannen, in ihren Worten, sie zur Tür zu "eskortieren", weil "du zu viel getrunken hast, Liebes, also bringen wir dich nach Hause, einverstanden?"
"Ins Bett", feixte Seth und dachte, dass er es nur zu sich selbst gesagt hätte, obwohl die ganze Gaststätte ihn gehört hatte. "Bringen wir dich ins Bett".
Ich sah kurz zum Wirt hinüber, der herabsah und sich die Nase in seine Schürze schnäuzte. Ein Gast weiter unten an der Theke blickte ebenfalls von mir weg, als ich ihn fragend ansah.
Bastarde. Da hätte ich genauso gut die Katze um Hilfe bitten können, dachte ich, knallte meinen Humpen auf den Tisch, stand auf und folgte den Cobleighs auf die Straße.
Ich blinzelte, als ich aus der Dunkelheit der Taverne in das gleißende Sonnenlicht trat. Mein Pferdewagen stand dort und röstete in der Sonne, daneben stand ein weiterer, von dem ich annahm, dass er den Cobleighs gehörte. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein Vorgarten vor einem weit zurückgesetzten Haus, aber keine Spur von einem Farmer. Wir waren allein auf der Landstraße, nur ich, die beiden Cobleighs, Julian und das Mädchen, natürlich.
"Nun, Tom Cobleigh", sagte ich, "was man nicht alles zu sehen bekommt an einem schönen Nachmittag. Dich und deine Kumpane, die sich betrinken und ein armes hilfloses junges Ding noch viel betrunkener machen."
Das Mädchen sank in sich zusammen, als Tom Cobleigh ihren Arm losließ und sich mit erhobenem Finger zu mir drehte.
"Halte dich da raus, Edward Kenway, du Nachwuchs-Tunichtgut. Du bist genauso betrunken wie ich und deine Moral ist auch nicht besser, also muss ich mir von deinesgleichen keine Reden anhören."
Seth und Julian hatten sich ebenfalls umgedreht. Das Mädchen hatte ganz glasige Augen, als hätte ihr Verstand sich schon zur Nacht gebettet, obgleich ihr Körper noch wach war.
"Tja", lächelte ich, "meine Moral mag nicht besser sein als deine, Tom Cobleigh, doch ich muss jungen Mädchen kein Ale in die Kehle schütten, um sie ins Bett zu bekommen, und ganz sicher brauche ich keine zwei Freunde, die mir dabei helfen".
Tom Cobleigh wurde rot. "Was? Du dreckiger kleiner Bastard, du, ich werde sie in meinen Wagen setzen und dann bringe ich sie nach Hause."
"Ich bezweifele nicht, dass du vorhast, sie in den Wagen zu setzen und nach Hause zu bringen. Jedoch was du zwischen dem Einstieg in deinen Wagen und der Ankunft zu Hause planst, das besorgt mich."
"Ach, das besorgt dich also? Du wirst dir bald Sorgen um eine zertrümmerte Nase und ein paar gebrochene Rippen machen müssen, wenn du dich nicht schleunigst um deine eigenen Angelegenheiten kümmerst."
Ich sah die Straße hinab, wo Bäume den ungepflasterten Weg umsäumten und grün und golden in der Sonne leuchteten. In einiger Entfernung erkannte ich eine einsame Gestalt zu Pferde, verschwommen und undeutlich.
Ich trat einen Schritt vor und falls es einen Hauch von Anstand und Wärme in meinem Verhalten gab, hatte es sich nun verflüchtigt, fast von allein. Die folgenden Worte sprach ich mit eiserner Stimme.
"Nun lass dieses Mädchen in Ruhe, Tom Cobleigh, oder ich lehne jede Verantwortung für meine weiteren Taten ab."
Die drei Männer sahen sich an. Gewisserweise taten sie, was ich verlangt hatte, sie ließen das Mädchen los, das sich fast erleichtert in die Hocke sinken ließ, wo sie sich mit einer Hand am Boden abstützte und uns mit verschlafenen Augen ansah. Offensichtlich war sie sich nicht bewusst, worum wir in ihrem Namen stritten.
Inzwischen hatte ich mir die Cobleighs angesehen und meine Chancen abgeschätzt. Hatte ich schon einmal gegen drei Männer gleichzeitig gekämpft? Wohl nicht, denn wenn man sich mit Dreien anlegt, ist es weniger ein Kampf, vielmehr wird man verprügelt, aber komm schon, Edward Kenway, sagte ich mir. Ja, einerseits waren es drei Männer, aber einer von ihnen war Tom Cobleigh, kein Frischling mehr, er war etwa im Alter meines Vaters. Ein anderer war Seth Cobleigh, Tom Cobleighs Sohn. Und wenn man sich vorstellen kann, welche Art Mann mit seinem Vater zusammen ein Mädchen abfüllt, nun, dann kann man sich auch vorstellen, was für eine Art Mann Seth Cobleigh war - und zwar ein linkischer, hinterhältiger Kerl, der eher mit nassen Hosen aus einem Kampf flieht, als sich zu behaupten. Ausserdem waren sie betrunken.
Andererseits war ich jedoch auch betrunken. Und sie hatten Julian, der sich, dem Aussehen nach zu urteilen, durchaus zu verteidigen wusste.
Mir kam eine andere Idee. Dieser einsame Reiter, den ich in einiger Entfernung sehen konnte. Wenn ich die Cobleighs nur so lange hinhalten konnte, bis er eintraf, würden sich die Chancen vermutlich zu meinen Gunsten verschieben. Zumindest wenn er einen guten Charakter besaß, würde der einsame Reiter sicherlich anhalten, um mir zu helfen.
"Nun, Tom Cobleigh", sagte ich, "du bist mir gegenüber im Vorteil, das kann jedermann sehen, doch, weißt du, ich könnte einfach meiner Mutter nicht mehr in die Augen sehen, wenn ich zuließe, dass du und deine Kumpanen dieses hübsche junge Ding missbrauchen."
Ich sah die Straße hinab, wo der einsame Reiter langsam näher kam. Mach schon, dachte ich. Lass mich nicht hängen.
"Also", fuhr ich fort, "selbst wenn ihr mich in einer Blutlache am Straßenrand liegen lasst und die Kleine mitnehmt, muss ich einfach alles in meiner Macht stehende tun, um es euch so schwierig wie möglich zu machen. Und vielleicht dafür zu sorgen, dass ihr mit einem blauen Auge und schmerzenden Murmeln losziehen müsst."
Tom Cobleigh spuckte aus und sah mich mit runzligen, zusammengekniffenen Augen an. "Willst du einfach nur dastehen und den ganzen Tag darüber reden, Edward Kenway, oder wirst du auch zur Tat schreiten? Denn das Rad der Zeit dreht sich... "Er grinste teuflisch und fuhr fort, "Ich hab' noch Leute zu treffen... Dinge zu erledigen."
"Aye, stimmt, und je länger du brauchst, desto größer ist die Chance, dass diese junge Dame wieder nüchtern wird, hm?"
"Ich möchte gar nicht verhehlen, dass mich dieses Gerede langweilt, Kenway". Er wandte sich Julian zu. "Warum erteilen wir diesem kleinen Bastard keine Lektion? Oh, und eines noch, bevor wir anfangen, Master Kenway, du bist es nicht wert, die Schuhe deiner Mutter zu putzen, verstehst du mich?"
Das hatte gesessen, muss ich zugeben. Wenn jemand wie Tom Cobleigh, der die Moral eines räudigen Köters besaß und etwa halb so klug war, so tief in meine Seele greifen und seinen Finger in meine offenen Wunden und Schuldgefühle legen konnte, um mir noch mehr Schmerz zuzufügen, nun... wenigstens stärkte es meine Entschlossenheit, wenn sonst schon nichts.
Julian warf sich in die Brust und kam schnaufend näher. Zwei Schritt von mir entfernt hob er die Fäuste, ließ die rechte Schulter fallen und zog durch. Ich weiß nicht, gegen wen Julian normalerweise vor der Taverne kämpft, aber sicherlich gegen jemanden, der über weniger Erfahrung verfügte als ich, denn ich hatte längst zur Kenntnis genommen, dass er Rechtshänder war. Er hätte mir seine Absichten nicht deutlicher zeigen können, selbst wenn er es versucht hätte.
Meine Füße waren in kleine Staubwolken getaucht, als ich mit Leichtigkeit auswich und meine eigene Rechte in Position brachte. Er schrie vor Schmerzen, als ich ihn unter dem Kinn erwischte. Hätte ich es nur mit ihm zu tun gehabt, wäre die Schlacht schon gewonnen gewesen. Doch Tom Cobleigh war bereits über mit. Ich sah ihn nur aus dem Augenwinkel und es war zu spät, um noch zu reagieren, als er mir seine Faust gegen die Schläfe rammte.
Ich schwankte leicht, als ich mich drehte, um dem Angriff zu begegnen, und meine Fäuste schwangen wilder umher als mir lieb gewesen wäre. Ich hoffte auf einen Glückstreffer, da ich immer noch einen von ihnen niederschlagen musste, um für gleiche Verhältnisse zu sorgen, doch keiner meiner Schläge traf den zurückweichenden Tom Cobleigh und noch dazu hatte sich Julian erschreckend schnell von meinem ersten Treffer erholt und kam wieder auf mich zu.
Ein Schwinger mit seiner Rechten traf mein Kinn und wirbelte mich so herum, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor. Mein Hut fiel zu Boden, die Haare vor meine Augen und ich war leicht verwirrt. Und wer kam im selben Moment, um mir einen Stiefeltritt zu versetzen? Dieser Wurm Seth Cobleigh, der gleichzeitig seinen Vater und Julian anfeuerte. Und der Bastard hatte Glück. Sein Stiefel traf mich in der Magengegend und, da ich bereits aus dem Gleichgewicht war, verlor ich nun vollkommen den Halt und stürzte.
Das Schlimmste, was einem in einem Kampf gegen drei Gegner passieren kann, ist zu stürzen. Sobald man auf dem Boden liegt, ist es vorbei. Durch ihre Beine hindurch sah ich den einsamen Reiter auf der Straße, der nun meine einzige Rettung zu sein schien, vielleicht sogar meine einzige Chance, lebend aus der Sache raus zu kommen. Doch was ich sah, ließ mir das Herz in die Hose rutschen. Es war kein Mann auf einem Pferd, kein Handelsreisender, der absteigen und mir zu Hilfe eilen könnte. Nein, der einsame Reiter war eine Frau. Sie saß im Herrensitz auf dem Pferd, nicht wie eine Dame, aber sie war zweifellos eine Frau. Sie trug eine Haube und ein helles Sommerkleid. Und das Letzte, was mir durch den Kopf schoss, bevor die Stiefel der Cobleighs mir die Sicht versperrten und ihre Tritte auf mich einprasselten, war, dass sie sehr hübsch war.
Aber Schönheit würde mich jetzt nicht retten.
"Hey", hörte ich. "Ihr drei Männer da. Hört sofort auf damit!"
Sie drehten sich um, sahen sie an und zogen ihre Hüte. Sie stellten sich in einer Reihe auf, um ihr die Sicht auf mich zu versperren, der ich röchelnd auf dem Boden lag.
"Was geht hier vor?", wollte sie wissen. Dem Klang ihrer Stimme nach zu urteilen war sie jung und wenn auch nicht von edler Abstammung, so jedoch ganz sicher aus gutem Hause - aus zu gutem Hause vermutlich, um ohne Begleitung auszureiten?
"Wir haben diesem jungen Mann hier nur ein paar Manieren beibringen wollen", keuchte Tom Cobleigh, immer noch außer Atem. Es musste anstrengend sein, mich halb totzutreten.
"Doch dazu bedarf es doch wohl nicht dreier Männer, oder?", erwiderte sie. Nun konnte ich sie sehen, doppelt so schön, als ich zuerst gedacht hatte. Sie blickte die Cobleighs finster an, die inzwischen deutlich besänftigt zu sein schienen.
Sie hakte nach. "Viel interessanter ist, was habt ihr mit dieser jungen Dame hier vor?" Sie zeigte auf das Mädchen, das immer noch benommen und betrunken auf dem Boden saß.
"Oh, Ma'am, das ist eine junge Freundin von uns, die zu viel getrunken hat."
Das Gesicht der Dame verfinsterte sich. "Sie ist ganz sicher nicht eure junge Freundin, sie ist eine Dienstmagd. Und wenn ich sie nicht zurück nach Hause bringe, bevor meine Mutter bemerkt, dass sie ausgebüxt ist, ist sie eine ehemalige Dienstmagd."
Sie sah eindringlich von einem Mann zum nächsten. "Ich kenne euch Männer und ich glaube, ich weiß sehr wohl, was hier vor sich geht. Nun lasst diesen jungen Mann in Ruhe und macht euch auf den Weg, bevor mir noch danach zumute ist, diese Angelegenheit weiter zu verfolgen."
Mit zahlreichen Verbeugungen kletterten die Cobleighs in ihren Wagen und waren bald darauf verschwunden. In der Zwischenzeit war sie vom Pferd gestiegen und kniete sich neben mich, um mit mir zu sprechen. "Mein Name ist Caroline Scott, meine Familie wohnt auf der Hawkins Lane in Bristol, lasst mich Euch mit dorthin nehmen, um Eure Wunden zu behandeln."
"Ich kann nicht, meine Dame", sagte ich. Ich richtete mich auf und versuchte, ein Lächeln hervorzubringen. "Ich muss arbeiten."
Sie stand auf. "Ich verstehe. Habe ich die Situation denn richtig eingeschätzt?"
Ich hob meinen Hut auf und klopfte den Staub ab. Nun war er sogar noch verbeulter als zuvor. "Das habt Ihr, meine Dame."
"Dann bin ich Euch zu Dank verpflichtet, und Rose ebenfalls, sobald sie wieder nüchtern ist. Sie ist ein eigensinniges Mädchen. Sie ist nicht unsere einfachste Bedienstete, nichtsdestotrotz möchte ich nicht mit ansehen, wie sie unter ihrer Impulsivität leidet."
Sie war ein Engel, entschied ich, und als ich ihnen half, wieder aufs Pferd zu steigen, wo Caroline Rose festhielt, die sich benommen an den Hals des Pferdes schmiegte, kam mir plötzlich ein Gedanke.
"Darf ich Euch vielleicht wiedersehen, meine Dame? Um Euch angemessen zu danken, wenn ich wieder etwas repräsentativer aussehe?"
Sie warf mir einen bedauernden Blick zu. "Ich fürchte, mein Vater würde das nicht gutheißen", sagte sie, dann nahm sie die Zügel und ritt davon.
In der folgenden Nacht saß ich neben dem Strohdach unserer Hütte und blickte über die Felder, während die Sonne hinter dem Horizont verschwand. Normalerweise drehten sich meine Gedanken entweder um mein Ringen mit meiner unausweichlichen Zukunft oder darum eine Möglichkeit zu finden, all dem zu entfliehen.
Doch in dieser Nacht dachte ich an Caroline. Caroline Scott aus der Hawkins Lane.
Die in diesem Artikel verwendeten Bilder stammen aus dem Spiel Assassin's Creed IV Black Flag.
Quelle: Animus-Datenbank