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    Inhalte



    1.Al-Jahiz | 2. Astronomische Instrumente | 3. Astronomie und Astrologie | 4. Berechnung des Erdumfangs | 5. Das Arabische als kulturelles Bindeglied | 6. Die Gebrüder Banu Musa | 7. Die wissenschaftliche Methode | 8. Gesang und Poesie | 9. Gesundheitssystem | 10. Haus der Weisheit | 11. Kalila und Dimna | 12. Papierherstellung | 13. Tausendundeine Nacht | 14. Übersetzungsinitiative



    Zwei Hasen essen Beeren, aus al_Jahiz´ "Buch der Tiere" | Kopie (17. Jahrhundert) eines Orginals aus dem 10. Jahrhundert
    | Classic Collection, Alamy Archivbild | Bildnummer HBW79C




    Al-Jahiz



    Amr ibn Bahr al-Jahiz war ein sehr produktiver Literat des 9. Jahrhundert und gilt als einer der besten arabischen Autoren aller Zeiten. Er stammte aus der armen Familie eines schwarzen Kameltreibers, aber sein geistreicher Schreibstiel sicherte ihm schon bald die Aufmerksamkeit und Unterstützung der Oberschicht Bagdads, die er daraufhin mit mehr als 120 Büchern beglückte und in diesen auch satirische kommentierte.

    Al-Jahiz´ Spezialität waren Adab-Werke. Diese literarische Gattung versuchte anhand vielfältiger Beispiele die Mischung aus guten Manieren und kultureller Bildung zu beschreiben, über die ein ehrgeiziger Beamter, Höfling oder Schreiber verfügen sollte, um in höheren Kreisen Anerkennung zu finden. Dazu gehörte zum Beispiel Elemente aus der Geschichte und Poesie, berühmte rhetorische Erwiderungen, Scherze, Anekdoten usw. Aus diesem Grund behandeln al-Jahiz´ Bücher zahlreiche verschiedene Themen und enthalten viele auch heute noch zutreffende Beobachtungen. In Kitab al-Hayawan („Das Buch der Tiere„) beschreibt er beispielsweise mehr als 350 zu seiner Zeit bekannte Tiere und spekuliert, dass Umweltfaktoren zur Entstehung neuer Arten beitragen könnte, indem die Eigenschaften der überlebensfähigsten Tiere vererbt werden.

    Abgesehen davon, dass er in seiner Jugend Fische verkauft, ist über seine beruflichen Tätigkeiten nur bekannt, dass er schrieb und intellektuellen Salons (Majlis) auftrat. Er gilt daher als einer der ersten professionellen Schriftsteller der Geschichte. Der Legende nach hatte sogar sein Tod mit seiner Liebe zur Literatur zu tun; Angeblich suchte er in seiner umfassenden Bibliothek etwas, als er von einem zusammenstürzenden Bücherregal erschlagen wurde.



    Astrolabium | 9. Jahrhundert, Nordafrika | The Khalili Collections | Inventarnummer SCI 430



    Astronomische Instrumente



    Schon lange vor der Erfindung des Teleskops hatten die Zivilisationen der Antike Methoden entwickelt, um die Sterne zu kartografieren. Die abbasidischen Gelehrten bauten auf diesem überlieferten Wissen auf, verbesserten die Methoden und schufen Instrumente, die noch heute benutzt werden.

    Das wichtigste und vermutlich langlebigste dieser Instrumente war das Astrolabium. Es wurde von griechischen Astronomen im 3. Jahrhundert v. u. Z. erfunden und bot eine Möglichkeit, „das Universum in den Händen zu halten“ . Beim Astrolabium handelt es sich um einen gravierten Kreis, der die Sterne repräsentiert, die nach damaliger, vor-kopernikanischer Vorstellung um die Erde kreisten. Ein Kreis in der Mitte des Astrolabiums repräsentiert den Benutzer, der sich auf einer Linie befindet, die den Horizont darstellt. Verschiedene Punkte stehen für bekannte Sterne. Ab dem 8. Jahrhundert verbesserten die abbasidischen Astronomen das Astrolabium, indem sie neue Elemente hinzufügten, mit denen sich beispielsweise Datum und Uhrzeit bestimmen ließen. Außerdem wurden mehr gravierte Scheiben entwickelt, welche die auf verschiedenen Breitengraden sichtbaren Sterne zeigten, wodurch das Astrolabium auch von Reisenden benutzt werden konnte.

    Das Instrument hatte zahlreiche Verwendungen: Man konnte die Zeit des Sonnenauf- und -untergnangs bestimmen, die Höhe von Gebäuden oder die Breite von Flussüberquerungen, die Gebetszeiten sowie die Richtung, in der Mekka lag. Die einfallsreichen abbasidischen Gelehrten fanden Hunderte, wenn nicht Tausende von praktischen Anwendungen für dieses Gerät.



    As-Sufis Abhandlung zu den Fixsternen | Kopie (15. Jahrhundert) eines Originals aus dem 10. Jahrhundert, Iran | The Metropolitan Museum of Art, New York, USA | Inventarnummer 13.160.10




    Astronomie und Astrologie



    Man sagt, wenn man sich in der Wüste verirrt, hilft ein Blick in die Sterne, um einen Weg in sichere Gefilde zu finden. Wie ihre umayyadischen Vorgänger glaubten offen bar auch die abbasidischen Kalifen an den Nutzen der Sternkunde und finanzierten den Bau von Observatorien sowie die Übersetzung von astronomischen Werken aus dem Griechischen, Indischen und Persischen. Eines der wichtigsten arabischen Werke zu Astronomie aus dieser Zeit war das „Buch der Fixsterne“ aus dem 10. Jahrhundert (ein Kommentar zu Ptolemäus´ „Almagest“) von Abd ar-Rahman as-Sufi (903-986). Es enthielt Abbildungen und Beschreibungen von Sternen und Sternbildern, die aus der klassischen Antike bekannt waren, und wurde über Jahrhunderte benutzt und durch Kopien verbreitet. As-Sufi gilt als der erste Astronom, von dem bekannt ist, dass er die Andromeda-Galaxie beobachtet hat!

    Die abbasidischen Astronomen waren nicht nur an der Wissenschaft der Astronomen interessiert, sondern auch an deren praktischen Anwendungen, vor allem der Astrologie, also der Kunst, den günstigsten Zeitpunkt für bestimmte Aktivitäten zu finden. Al-Mansur soll beispielsweise Astrologen zu Rate gezogen haben, um den besten Ort und Zeitpunkt für die Gründung Bagdads zu bestimmen.

    Jeder Versuch, auf diese Art die Zukunft vorherzusagen, setzt ein umfassendes Verständnis der Bewegungen der Himmelskörper voraus. Dazu bedurfte es zeitintensiver Beobachtungen und komplizierter Berechnungen, um astronomische Tabellen zu erstellen, welche die genauen Positionen des Mondes, der Sonne und der fünf bekannten Planeten [Merkus, Venus, Mars, Saturn und Jupiter] enthielten. Daneben wurden besondere Ereignisse vermerkt, zum Beispiel Fluten oder Invasionen, um kausale Zusammenhänge zwischen den Bewegungen der Sterne und dem Leben auf der Erde zu finden. Die Astronomie wurde daher als Hilfsmittel für die Astrologie angesehen, aber sie war auch für andere Dinge nützlich.

    So konnte man mithilfe der Astronomie die Gebetszeiten berechnen oder Land vermessen. Was auch immer der Antrieb der Astronomen zur Zeit der Abbasiden war, sie trugen enorm zum astronomischen Wissen bei und waren für die Entdeckung zahlreicher Sterne verantwortlich (Altair, Aldebaran usw.). Außerdem prägten sie viele astronomische Begriffe (z. B. Azimut, Nadir), die heute noch verwendet werden.



    Himmelsglobus | 1144, Iran | RMN-Grand Palais (musée du Louvre)/Hervé Lewandowski




    Berechnung des Erdumfangs



    Jeder Gelehrte im Bagdad der Abbasiden wusste, dass die Erde rund ist. Sie wussten es, weil sie in übersetzten griechischen Manuskripten darüber gelesen hatten. Das wichtigste dieser Manuskripte war wohl Ptolemäus´ „Almagest“ , das von großen abbasidischen Astronomen as-Sufi übersetzt worden war. Sie wussten es auch, weil sie Mithilfe von einfachen genmetrischen Überlegungen und trigonometrischen Gleichungen ihren Umfang berechnet hatten.

    Um das Jahr 240 v. u. Z. benutze ein griechischer Mathematiker namens Eratosthenes die Schatten von Holzstäben, um zu berechnen, dass zwei Städte 7 Grad oder den fünfzigsten Teil einer Kugeloberfläche voneinander entfernt lagen. Er multiplizierte den Abstand zwischen den beiden Städten mit 50. Um die Größe bzw. den Umfang der Erde zu berechnen, und sein Ergebnis wich nur ca. 5 % von modernen Berechnungen ab. Irgendwann um das Jahr 830 ahmte ein Team von 70 Mathematikern um den berühmten al-Chwarizmi (750-850) dieses Experiment nach. Sie konnten die Methoden ihres Vorgängers verbessern, indem sie sich Punkte suchten, die jeweils genau 1 Grad auseinander lagen. Dazu reisten sie von Bagdad aus auf einer Straße in Nord-Süd-Richtung in die umgebende Wüste und stoppten, wenn sie einen Punkt erreicht hatten, an dem sich die Höhe des Polarsterns um genau 1 Grad verändert hatte. Ihre Berechnungen ähnelten denen von Eratosthenes. Später erhielt der Wissenschaftler al-Biruni (973-1050) noch bessere Ergebnisse. Indem er anstelle von Stöcken die Schatten von Bergen als Anhaltspunkt nahm.

    Beide Exeditionen waren einerseits durch den Wunsch motiviert, die genaue Größe des Reichs im Vergleich zu seinen Rivalen zu bestimmen, und andererseits durch die Vorschrift des Islam, sich zum Gebet in Richtung der Kaaba in Mekka zu wenden, unabhängig davon, wo auf der Welt man sich grade befindet. Das beweist, das Religion und Wissenschaft durchaus nicht immer in Konflikt stehen.



    Folio aus dem "Blauen Koran" | 9.-10. Jh.; Tunesien, verm. Qairawan | The Metropolitan Museum of Art, New York, USA, Inventarnummer 2004.88




    Das Arabische als kulturelles Bindeglied



    Nachdem die arabische Sprache schon lange auf der arabischen Halbinsel und im östlichen Mittelmeerraum benutzt worden war, breitete sie sich durch Gründungen arabischsprachiger Kolonien und Enklaven über das ganze Reich aus. Durch bewusste politische Entscheidungen und einen gewissen Konformitätsdruck entwickelte sie sich bald zur Lingua franca von den Pyrenäen bis zum Himalaja.

    Für die Verbreitung und Popularität des Arabischen gab es viele Gründe. Zuallererst war sie die Sakralsprache des Islam und man musste sie beherrschen, um den Karan und andere religiöse Texte lesen zu können. Die langsame aber stete Ausbreitung dieser Religion führte dazu, dass immer mehr Konvertierte auch ihre heilige Sprache annahmen. Darüber hinaus war die gesamte Verwaltung des Reiches bis etwa 720 u. Z. arabisiert worden. Wer es also sozial oder politisch zu etwas bringen wollte, war gut beraten, Arabisch zu lernen. Und da die Sprache inzwischen zu einem verbindenden Element der verschiedenen Völker des Reiches geworden war, entwickelte sie sich zu Sprache des Handels, der Kunst und der Wissenschaft.

    Auch wenn Arabisch die dominante Sprache war, war sie beileibe nicht die einzige, die im Reich gesprochen wurde. Zu den anderen gesprochenen Sprachen gehörten das Persische im heutigen Iran, das Syrische im heutigen Syrien, die Berbersprachen in Nordafrika, das Koptische Ägypten und das Hebräische in den jüdischen Gemeinden. Es ist wahrscheinlich, dass die meisten Einwohner einer so kosmopolitischen Stadt wie Bagdad mehrere Sprachen beherrschten.



    Auszug aus dem Kitab al-Hiyal ("Buch der
    Erfindungen") von Ahmad ibn Musa | Kopie (13. Jahrhundert) eines Originals aus dem 9. Jahrhundert, Bagdad, Irak | Foto 12 / Alamy Archivibild / Bildnummer P67W3X





    Die Gebrüder Banu Musa



    Als Söhne eines Astronomen (und Straßenräubers!) aus dem östlichen Iran wuchsen die „Banu Musa“ genannten Brüder am Hof des Kalifen auf. Sie waren geschickte politische Akteure, großzügige Förderer der Wissenschaften und sehr produktive Erfinder. Als solche sind sie das perfekte Beispiel für die einzigartige Konzentration bedeutender Gelehrter im Bagdad des 9. Jahrhunderts.

    Der Vater der drei Brüder, Musa ibn Shakir, war mit dem damaligen Prinzen al-Mamun (reg. 813-833) befreundet, als er noch Statthalter von Chorasan war (im heutigen Ostiran und Usbekistan). Durch diese Verbindungen kamen die „Söhne von Musa“, Muhammad, Ahmad und al-Haan, nach dem Tod ihres Vaters in den Genuss herausragender Bildung. Sie studierten zusammen mit den Astronomen und Mathematikern im Haus der Weisheit und erwarben zahlreiche wissenschaftliche, technische und linguistische Fähigkeiten. Sie halfen al-Chwarizmi bei der Berechnung des Erdumfangs, finanzierten Reisen in das Byzantinische Reich, um dort Manuskripte zu kaufen, und veröffentlichten fast 20 Bücher zu verschiedenen Themen. Das wichtigste davon war wohl das „Buch der Erfindungen“ (Kitab al-Hiyal), das detaillierte und illustrierte Beschreibungen von Hunderten Automaten enthielt, beispielsweise von Springbrunnen und Musikinstrumenten, die mithilfe von Druck und Wasserkraft faszinierende Effekte erzeugten. Dieser Krug ist ein „Trickgefäß“, in dem Wein von Wasser getrennt wird.

    Durch ihre persönliche Verbindung zu den Kalifen konnten sie sich wichtige und gut bezahlte Posten sichern, unter anderem als Architekten und Stadtplaner für dien Kanalbau. Nach den Toden von al-Mutawakkil (reg. 847-861) und seines Sohns al-Muntasir (reg. 861-862) nahm Muhammad sogar an den komplizierten Verhandlungen zur Auswahl und Ernennung des jeweils nächsten Kalifen teil.



    Links: zwölfzeitiger Bronzemörser mit Tierbekrönung und mit Pflanzenmotiven - 11.-12. Jahrhundert, Afghanistan - mit freundlicher Genehmigung des Shangri La Museum of Islamic Art, Cluture u. Design, Honolulu, Hawaii Inventarnummer 54.150 | Rechts:Gefäß mit konischer Kugelform (Chemiegefäß) 12.Jahrhungert, Irak oder Iran, Museum des Instituts du monde arabe / Philippe Maillard, Paris, Frankreich - Inventarnummer AI 89-60



    Die wissenschaftliche Methode



    Die Abbasidenzeit war von wichtigen Errungenschaften gekennzeichnet, welche die wissenschaftliche Arbeit nachhaltig beeinflusst haben. Zu den wichtigsten zählt das Aufkommen dessen, was wir heute als „wissenschaftliche Methode“ bezeichnen: die Überprüfung der Daten und Ergebnisse anderer Forscher, seien es zeitgenössische Intellektuelle oder historische Persönlichkeiten wie Ptolemäus. Werkzeuge wie dieser Mörser oder dieser Alembik waren für diese Zwecke unerlässlich.

    Die Gelehrten jener Zeit wetteiferten um die Aufmerksamkeit und Unterstützung des Kalifen. Daher mussten sie neue Wege finden, um Wissen zu sammeln und ihre Entdeckungen zu untermauern. Dies fachte ihren Durst nach übersetzten wissenschaftlichen Arbeiten aus der Antike oder aus fremden Ländern an. Sie überprüften dann die Berechnungen oder die mathematischen Beweise dieser berühmten Gelehrten und verbesserten sie, falls möglich, oder widerlegten sie auch gelegentlich, um sich selbst einen Namen zu machen. Die Gelehrten im Haus der Weisheit arbeiteten fieberhaft daran, die Arbeiten ihrer Vorgänger oder Rivalen zu überprüfen und zu kommentieren. Sie bauten Experimente nach und versuchten, die Methodik oder die Berechnungen zu verbessern. Wenn ihre Ergebnisse von denen ihrer Vorgänger abwichen, versuchten sie, dies zu erklären, was ihre Nachforschungen noch intensivierte. Zu den besten Beispielen für die Anwendungen der wissenschaftlichen Methode und dessen was heute als „Peer-Review“ bekannt ist, zählen die Versuche von einer Gruppe von Mathematikern um den großen al-Chwarizmi (780-850), den Umfang der Erde durch die Reproduktion von Experimenten aus der griechischen Antike zu bestimmen, sowie die späteren Verbesserungen dieses Versuchs und seiner Ergebnisse durch al-Biruni (973-1050).



    Reiterporträt des Badr ad-Din Lulu aus dem Kitab al-Agani (Buch der Lieder) von Abu l-Faraj al-Isfahani | 1217-1219, Irak | Shim Harno / Alamy Archivbild | Bildnummer 2DCD741




    Gesang und Poesie



    Irgendwann um das Jahr 850 kam es in einem Anwesen der Oberschicht des Reiches zu einem epischen Showdown. Zwei der berühmtesten Qaina („Singmädchen“) ihrer Zeit, Arib al-Mamuniyya (797-890) und Shariyah (815-970), wurden zu einem musikalischen Wettstreit eingeladen, um festzustellen, wer von ihnen die Bessere war. Beide Frauen waren als Kinder von aristokratischen Männern und Sklavinnen, die ebenfalls Qaina waren, in der Sklaverei geboren worden. Durch ihr Talent hatten sie es dennoch zu Reichtum und Einfluss gebracht und sich sogar ihrer Freiheit verdient. Ab etwa 840 arbeiteten beide als Lehrerinnen für andere Sklavinnen, die dann ihre populären Kompositionen in ganz Bagdad aufführten. Das Duell der beiden war deshalb auch außerhalb der höfischen Gesellschaft ein viel beachtetes Ereignis.

    Mitglieder beider Schulen traten mit Liedern und Gedichten ihrer Lehrerinnen gegeneinander an. Jedes Stück folgte akribisch den komplizierten stilistischen Regeln dieser Zeit, und die behandelten Themen reichten von religiösen Moralpredigten bis hin zu obszönen Frivolitäten. Am Ende führten Arib und Shariyah eine Diskussion oder vielmehr einen geistreichen Schlagabtausch, in der die Erstgenannte beweisen konnte, das Letztere einige Melodien anderer berühmter Qaina für ihre Stücke kopiert hatte. Für Shariyah und ihre Gönner war dies ein niederschmetternder Moment. Arib dagegen erhielt Ländereien, Gold und Seide als Geschenk für ihren Sieg.

    Diese und Dutzende andere Geschichten wurden im 10. Jahrhundert von Abu al-Faraj al-Isfahani in Kitab al-Agani („Das Buch der Lieder“) gesammelt. Als eine der wichtigsten arabischen Schriften des Mittelalters belegt es eindrucksvoll die Bedeutung der Dichtkunst und Musik im Abbasiden-Reich. In einer Gesellschaft, die tief in der antiken arabischen und persischen Tradition der mündlichen Überlieferung verwurzelt war, war die Erschaffung schöner Gedichte tatsächlich einer der besten Wege, um die Aufmerksamkeit potenzieller Gönner zu erregen und es zu Ruhm Reichtum zu bringen.



    ²Medizin aus Honig herstellen" aus einer arabischen Übersetzung von Dioskurides´ "De materia medica" | 1224, Bagdad, Irak | The Metropolitan Museum of Art, New York, USA | Inventarnummer 57.51.21




    Gesundheitssystem



    Im 9. Jahrhundert erhielten persische Ärzte, die nach Bagdad geholt worden waren, um die Leiden des Kalifen zu heilen, die Mittel, um sechs Krankenhäuser oder „Bimaristan“ (Orte der Kranken) zu eröffnen und zu unterhalten. Diese großen Gebäude standen allen offen und dienten gleichzeitig als medizinische Schulen. Die dort praktizierte Medizin basierte auf zwei Säulen: traditionell überlieferten Erfahrungswerten und empirischen Beobachtungen. Im Laufe der Zeit wurden Letztere immer wichtiger.

    Viele Werke griechischer, römischer und persischer Ärzte der Antike, wie Hippokrates und Galen, wurden bereits im 8. Jahrhindert ins Arabische übersetzt. Sie bildeten das theoretische Gerüst, das als „Krankheitslehre von den Körpersäften“ bekannt ist und demnach Krankheiten durch ein Ungleichgewicht der vier Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarz Galle) verursacht werden. Man nahm an, dass diese Körpersäfte das menschliche Verhalten bestimmen. Die Ärzte mussten daher versuchen, durch Aderlass, Abführmittel oder eine Änderung der Ernährung oder bestimmter Umwelteinflüsse das Gleichgewicht der Körpersäfte wiederherzustellen. Das Ergebnis war ein ganzheitlicher Ansatz bei der Behandlung Kranker.

    Aber die Ärzte Bagdads folgten nicht blind einer alten Tradition. Die meisten Behandlungen wurden ausprobiert und analysiert, zum Beispiel auch das Beschriften von Medizingefäßen mit magischen Formeln, und das Ergebnis wurde mittels der Säftelehre verallgemeinert. Einer der bekanntesten Krankenhausleiter von Bagdad, Abu Bakr ar-Razi (854-935), legte großen Wert auf Experimente und Beobachtung und argumentierte, dass die Grundlage der Medizin darin bestünde, althergebrachte Ansichten infrage zu stellen. Diese innovative Einstellung führte dazu, dass zum ersten Mal zwischen den Pocken und Masern unterschieden wurde.



    Auszug aus den Maqamat von al-Hariri al-Basri | 1237, Bagdad, Irak | BnF, Dist. RMN-Grand Palais / Bild: BnF | Inventarnummer ARABE 5847 Folio5verso




    Haus der Weisheit



    Das Haus der Weisheit (Bait al-Hikmal), das auf Befehl von Kalif al-Mansur (reg. 754-775) errichtet wurde, war die königliche Bibliothek der Abbasiden. Hier wurde das Wissen der Antike bewahrt und ins Arabische übersetzt. Als Wirkungsstätte der bedeutendsten Köpfe des Reiches war es in Bagdad des 9. Jahrhundert eine Institution von herausragender Bedeutung.

    Die Idee, eine Lehranstalt mit einer Bibliothek zu verbinden, war keine Erfindung der Abbasiden. Das Bait al-Hikma war vielmehr eine Kopie bereits bestehender Institutionen wie der Großen Bibliothek von Alexandria in Ägypten oder der Akademie von Gundischapur in Iran. Das mag Teil von al-Mansurs Strategie gewesen sein, seine Dynastie als Nachfolger der persischen Sassaniden aus dem 7. Jahrhundert zu legitimieren, die bei der iranischen Oberschicht im Abbasiden-Reich immer noch hohes Ansehen genossen.

    Ungeachtet dessen sammelte das Haus der Weisheit mindestens 8.000 Bücher in arabischer Sprache, deren Namen uns dank des Kitab al-Fihrist (Katalog der Bücher, um 987) von Ibn an-Nadim überliefert sind. Die Themen waren breitgefächert und reichten von der Astrologie bis zur Zoologie.

    Anscheinend litt die Institution darunter, dass sich der Kalif ab etwa 836 nicht mehr so oft in der Hauptstadt aufhielt und nach der Herrschaft von al-Mutawakkil (reg. 847-861) wird sie immer seltener erwähnt. Dennoch bleibt sie ein hervorragendes Beispiel für die Förderung der Wissenschaft durch die Kalifen. Bald darauf wurde von jedem Herrscher in der muslimischen Welt erwartet, dass er Leseräume und Arbeitsplätze für Gelehrte einrichten ließ.



    Die Krähe, die Kobra und der Schakal eine Geschichte aus "Kalial wa Dimna" (Kalila und Dimna) | 13. Jahrhundert, Bagdad, Irak | BnF, Dist. RMN-Grand Palais / Bild: BnF | Inventarnummer ARABE3465 Folio 28




    Kalila und Dimna



    Die Söhne der Kalifen wuchsen im Harem auf, fernab von der Welt, über die sie möglicherweise in Zukunft herrschen würden. Es gab viele Methoden, um sie darauf vorzubereiten: Es gab Tutoren und sehr spezialisierte Verwaltungsbeamte. Außerdem gab es in literarisches Genre namens „Flüsterspiegel“, das Lektionen in Form von Parabeln enthielt. Das bekannteste Beispiel dafür ist „Kalila wa Dimna“.

    Diese Sammlung von Fabeln erzählt die Geschichte eines Königs, Debshleem, der für die Politik als Staatsmann und am Hofe den Rat des Weisen Bidpai suchte. Der alte Mann antwortet ihm mit verwobenen Geschichten, in denen von Tieren und insbesondere von den beiden namensgebenden Schakalen Kalila und Dimna erzählt wird, die versuchen, in den inneren Zirkel des Löwenkönigs vorzudringen, indem sie clevere Tiergeschichten erzählten.

    Kalila wa Dimna entstand auf ähnliche Weise wie viele andere Texte in dieser Zeit. Die erste Version erschien unter dem Namen „Panchatantra“ im dritten Jahrhundert v. u. Z. in Indien und wurde gegen 750 aus dem Mittelpresischen ins Arabische übersetzt. Bei jeder Bearbeitung wurden neue Elemente hinzugefügt. Der Übersetzer Ibn al-Muqaffa war auch ein bekannter Autor eigner Schriften und gehörte zu den angesehensten Gelehrten am Hof der Abbasiden. Seine Arbeit brachte diese indischen und persischen Werke nicht nur einem neuen Publikum näher, sondern half auch, sie für zukünftige Generationen zu bewahren. Kalila wa Dimna hat seitdem viele andere Sammlungen von Geschichten inspiriert, von Machiavellis „Der Fürst“ bis zu den Fabeln von la Fontaine, und wird auch heute noch gerne gelesen.



    Folio aus einem Koranmanuskript | 1137, Iran oder Irak | The Metropolitan Museum of Art, New York, USA | Inventarnummer 1996.238.2




    Papierherstellung



    Als technische Revolution spielte sie eine entscheidende Rolle für die wissenschaftliche Blütenzeit im Abbasiden-Reich: die Papierherstellung und ihre weitreichende Verbreitung.

    Bevor es Papier gab, schrieben Menschen auf Tontafeln, Seide, Stein, Schildkrötenpanzern, getreckten Tierhäuten (Pergament) oder Papyrus. Jedes dieser Medien brachte seine eigenen Herausforderungen mit sich. Papier, das sich zudem gut für die Massenproduktion eignet, hat eine ebene und stabile Oberfläche und ermöglicht so ein deutlich vereinfachtes Schreiben im Vergleich zu den zuvor genannten Materialien.

    Traditionell wird die Erfindung des Papiers Ts´ai Lun, einem chinesischen Beamten aus dem 1. Jahrhundert zugeschrieben, obwohl bestimmte Formen der Papierherstellung schon lange vor seiner Zeit in China bekannt waren. Seine Art Papier verbreitete sich schnell, zuerst in der Regierung und dann im alltäglichen Leben. Im achten Jahrhundert breitete sich die Papierherstellung von Ostasien in das Abbasiden-Reich aus. Zuerst nahm man an, dass gefangene chinesische Gelehrte für diese Ausbreitung verantwortlich waren. Aber die Techniken zur Papierherstellung in China und dem Nahen Osten unterschieden sich recht deutlich voneinander. Erstere benutzten vor allem Fasern von Bäumen, Letztere eher Stofffetzen. Daher ist es wahrscheinlicher, dass Reisende auf der Seitenstraße die Idee mitbrachten und an die Verhältnisse in Bagdad anpassten. Von dort verbreitete sich die Papierherstellung im elften Jahrhundert bis nach Europa.

    Dass die kostspieligen Materialien Papyrus und Pergament durch das ökonomischere und haltbare Papier ersetzt wurden, hatten einen nachhaltigen Effekt auf das intellektuelle Leben im Abbasiden-Reich. Die Herstellung von Büchern wurde einfacher, schneller und günstiger. Kopisten waren auf Märkten öffentlich tätig und es kam zur Gründung der ersten privaten Bibliotheken. Darüber hinaus beflügelte die Möglichkeit Ideen auszutauschen, indem man einfach Kopien von Büchern verschickte, die Denker in Eurasien, Nordafrika und Europa. Dies führte zu wichtigen Entdeckungen in den Bereichen Mathematik, Astrologie, Medizin und Technik, 800 Jahre vor der sogenannten „wissenschaftlichen Revolution“.



    Auszüge, die verschiedene Episoden aus "Sindbadnama" von Muhammad ibn Ali Katib al-Samarqandi zeigen | 16. Jahrhundert, Türkei | Walters Art Museum, Baltimore, USA | Inventarnummern W.662.12A, W662.52B, W.662.33A, W662.28B., W.662.76A und W.662.24B




    Tausendundeine Nacht



    Die arabische Sammlung von Volkssagen „Tausendundeine Nacht“, die auf der reichen Tradition der indischen und persischen Literatur aufbaute, wurde erstmals im 9. Jahrhundert in Bagdad veröffentlicht. Trotz ihres Namens enthielt sie ursprünglich etwa zweihundert Erzählungen vor zeitgenössischen Hintergründen – etwa den großen Städten Bagdad und Damaskus, dem Kalifen Harun ar-Raschid oder dem Leben auf dem Bazar.

    Im Mittelpunkt der Erzählungen steht die berühmte Rahmenhandlung von der listigen Scheherazade, die sich bereit erklärt, den König Schahryara zu heiraten, um den Tod weiter Frauen zu verhindern. Denn nachdem seine erste Frau ihn betrogen und ihm das Herz gebrochen hatte, fasste der König den Entschluss, jeden Abend eine neue Frau zu heiraten und sie am nächsten Morgen hinrichten zu lassen, sodass ihm niemand mehr untreu werden konnte. Scheherazade allerdings erzählte dem König jede Nacht einen Teil einer Geschichte, die sie immer an einer spannenden Stelle unterbrach, damit der König ihr Leben verschonte, um am nächsten Abend das Ende der Geschichte hören zu können. Die Geschichten, die sie erzählte, sind sehr unterschiedlich, einige sind kinderfreundliche Fabeln, andere hoch erotische Gedichte für Erwachsene. Einige sind nur ein paar Absätze lang, andere erstrecken sich über Dutzende von Seiten. Sie behandeln unterschiedlichste Themen, unter anderem auch Gerechtigkeit und die ungerechte Art, mit der König Schahriyar seine Frauen behandelt hatte. Das Thema der Frauen, die durch das Erzählen von Geschichten Leben retten, war besonders beliebt. Hier abgebildet sind einige Szenen aus der Geschichte von Sindbad, in der die Frauen des Harem Geschichten erzählten, um das Leben eines jungen Prinzen zu retten.

    Der Buchverkäufer Ibn an-Nadim im 10. Jahrhundert äußerte sich geringschätzig über Tausendundeine Nacht und erachtete die Themen als unangemessen für ein kultiviertes Publikum. Aber anscheinend teilten nicht viele seine Meinung, denn die Popularität der Geschichtssammlung im Abbasiden-Reich sorgte dafür, dass sie sich im ganzen Reich und darüber hinaus verbreitete und bis heute überlebt hat. Geschichtenerzähler und Autoren aus unterschiedlichen Kulturen haben seit jeher immer wieder einzelne Geschichten weggelassen, hinzugefügt oder umgeschrieben. Ein paar der bekanntesten Erzählungen, wie die von Aladin oder Ali Baba, wurden erst im 18. Jahrhundert hinzugefügt. Dieses langjährige und kulturübergreifende Evolution erklärt möglicherweise den universellen Reiz von Tausendundeine Nacht.



    Stifschatulle mit Tintenfass | 9.-11. Jahrhundert, Neyschabur, Iran | The Metropolitan Museum of Art, New York, USA | Inventarnummer 39.40.34




    Übersetzungsinitiative



    Im 8. Jahrhundert begann Bagdad eine anhaltende und gut finanzierte Initiative, um Manuskripte aus unterschiedlichen Kulturen zu sammeln und ins Arabische zu übersetzen. Unter Führung der Gelehrten im Haus der Weisheit trug dieses Unterfangen dazu bei, das Wissen der Antike zu bewahren und wieder zu verbreiten. Gleichzeitig führte es zu vielen neuen Entdeckungen.

    Die Abbasiden-Kalifen finanzierten die Übersetzungen und einige engagierten sich sogar selbst als Übersetzer. Anscheinend konzentrierten sie sich dabei besonders auf die Bereiche Astrologie und Astronomie, von denen man glaubte, sie könnte dabei helfen, günstige Zeitpunkte für bestimmte Unternehmungen zu identifizieren, und auf die Medizin, die selbstverständlich für das eigene Überleben und die eigene Gesundheit von Bedeutung war. Andere Angehörige der Obersicht folgten ihrem Beispiel. Verwaltungsbeamte versuchten sich mathematische Kenntnisse anzueignen, um Umsätze einzuschätzen und das Bewässerungssystem zu erhalten. Muslimische Theologen fanden es nützlich, dialektische griechische Texte zu übersetzen (insbesondere von Aristoteles), um den Glauben gegen nicht-muslimische Kritiker zu verteidigen. Und Höflinge versuchten, ihre intellektuelle Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit durch das Zitieren von historischen oder militärischen Werken zu untermauern.

    Die übersetzten Werke wurden dann kopiert und im ganzen Abbasiden-Reich und darüber hinaus gelesen. Einige griechische Werke zur Philosophie und indische Werke zur Mathematik, die im Bagdad übersetzt und überarbeitet wurden, waren zum Beispiel noch im 12. Und 13. Jahrhundert in Europa sehr einflussreich.





    *Die in diesem Artikel verwendeten Bilder und Beschreibungen stammen aus dem Spiel Assassin´s Creed Mirage: Quelle Datenbank im Spiel Assassin´s Creed Mirage
    geschrieben von Solena